Wie man Gutachten in Frage stellt
Der menschliche Körper und noch mehr die menschliche Psyche sind
hoch komplexe Organismen, die nach dem heutigen und wohl auch künftigen
Stand der Wissenschaft nie in ihrer ganzen Breite erfassbar sein werden.
So wenig der Mensch die Atomkraft beherrscht, so wenig kennt und
beherrscht er die Abläufe im menschlichen Körper, von seinen
rudimentären Deutungen der menschlichen Psyche ganz zu schweigen. Jede
andere Position eines Gutachters ist anmaßend. Der oft so beschworene
„Halbgott in Weiß“ kommt nicht von ungefähr. Doch wer sich über seine
angeblichen Fähigkeiten quasi zum „Halbgott“ emporhebt, läuft Gefahr in
der „Hölle“ anzukommen. Hochmut kommt vor dem Fall, sagt nicht umsonst
ein deutsches Sprichwort. Der Gutachter, der glaubt, er sei allwissend
oder könne auch nur die komplexen Abläufe im menschlichen Körper besser
beurteilen als jener, der in dem Körper lebt, wandelt auf einem schmalen
Grad zwischen Übermensch und Kriminellem. Denn er läuft Gefahr, sich
schnell leichtfertig über das "Begutachtungsobjekt Mensch" und seinen
Willen und Persönlichkeit hinwegzusetzen und – sei es aus Überzeugung,
sei es aus Betriebsblindheit – seine eigenen angelernten Thesen zu
verabsolutieren.
Die Unzulänglichkeit
menschlicher Wissenschaft, hier der Medizin, hat das
Bundesverfassungsgericht bei seinem Beschluss zum Verbot der
Zwangsbehandlung angesprochen. Menschliche
Wissenschaft ist stets unzulänglich und die meisten Gutachten im
psychiatrischen und psychologischen Bereich sind regelmäßig nur einen
Aneinanderreihung von Floskeln und Textbausteinen, die letztlich nur
Bauchgefühle und subjektive Meinungen des Sachverständigen offenbaren.